Sonntag, Dezember 31, 2006

Jahresrückblick I

Nachdem ich mir vor einigen Tagen einen Jahresrückblick im Fernsehen angesehen hatte, kam mir die Frage in den Kopf, was ich im zu ende gehenden Jahr alles geschafft, geleistet und erlebt habe. Worauf ich stolz war, was mich besonders berührt hat und aus welchen Dingen ich Ansichten gezogen habe, die ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde.

Ich kann schon jetzt verraten, das es ein langer Blog Beitrag werden wird. Aufmerksame Leser sollten mit der Idee spielen, noch einmal in die Küche zu gehen, sich einen heißen Tee oder Kaffee zu zaubern. Vielleicht passende Hintergrundmusik zu wählen und anschließend in meinen Jahresüberblick zu tauchen.

Januar

Ich erinnere mich noch genau an einen verscheiten Wintertag. Es war der erste Tag der Woche den ich Dank angesammelter Überstunden daheim auf meinem Sofa verbringen durfte. Ich hatte für diesen Tag keinerlei Pläne auf die Beine gestellt. Warum auch? Ein Tag ohne Überraschungen, doch dafür mit umso mehr Kaffee gefüllt, trägt mehr Entspannung in sich, als ein Tag voller geplanter Aktivitäten.

Ich stutze, als plötzlich mein Handy zu klingeln begann. Etwas schwerfällig erhob ich mich von meinem Sofa, schlüpfte in meine magentafarbenen Hausschuhe und suchte nach dem klingelnden Feind.

"Melanie F. ... "

"Hallo Melanie! Schön Dich zu hören, hier ist H....."

Auch wenn ich es nicht selbst sehen konnte, so spürte ich, dass sich meine Augen auf die Größe von Suppenschüsseln weiteten. Acht Monate lang hatte dieser Mann die Rolle meines Vorgesetzen eingenommen. Wir hatten uns damals auf der "Kick off" Veranstaltung kennen gelernt. Nach einem kräftigen Händedruck und einigen Gesprächen schlossen wir uns als Team zusammen. Ich erinnere mich gerne an die Zeit mit ihm zurück. Nicht selten waren wir bis in die späten Abendstunden unterwegs. Erkundeten zusammen die Weiten des Saterlandes und die Menschen, die diese Ortschaften ihr zu Hause nannten. Lange Arbeitszeiten machten mir nichts aus. Dankend nahm ich jeden Tag sein Wissen entgegen, das er geduldig mit mir teilte. Versuchte mein Bestmögliches um seinen Wünschen zu entsprechen und seinem Wissensstand gleichzukommen.

Oft nahm er mich mit zu sich nach Hause. Ich lerne seine Frau und seine drei Kinder kennen. Unzählige Male saßen wir bei ihm im luxuriös eingerichteten Garten mit Pool und tranken Kaffee. Immer wieder beobachtete ich, wie H mit dunkler Miene kalorienarmen Süßstoff unter seinen Kaffee rührte. Immer wieder versicherte ich dabei seiner Frau, dass H seine Diät strengstens einhalten würde. In Wahrheit kamen wir an keiner Eisdiele vorbei.... aber das musste sie nicht wissen.

Es war ein Sonntag Nachmittag, an dem mein Telefon schellte und ich seine Stimme am anderen Ende der Leitung vernahm. Etwas geknickt berichtete er mir, das er krank geworden sei. Das er über mehrere Wochen nicht zur Arbeit kommen könne. Dann fragte er mit fester Stimme, ob ich es mir zutrauen würde, von nun an seinen Job zu erledigen. Alleine.
Motiviert wie ich war, riskierte ich diesen Sprung in das kalte Wasser. Stattete ihm am nächsten Morgen in der Frühe einen Besuch ab und nahm Laptop, Handy und Dienstwagen entgegen. Was spielte es schon für eine Rolle, das ich die halbe Nacht kein Auge geschlossen hatte. Hier ging es um weitaus mehr als tägliche Arbeit. Mein Stolz und meine gesteckten Ziele standen auf dem Spiel. Den Rest erledigte der hohe Adrenalinspiegel.

Mit Handy an meinem Ohr und Werkzeugköfferchen in meiner Hand fuhr ich allein von Kunde zu Kunde. Immer mit den Worten in meinem Kopf, das H immer als Ansprechpartner für mich bereit stand. Immer.

Von da an verdiente ich auf diese Weise vier Monate lang meine Brötchen. Erledigte motiviert und erfolgreich hunderte von Kundenaufträgen. Ich lernte viele neue Menschen kennen. Fuhr zu monatlichen Teambesprechungen und wurde ein fester Teil des technischen Kundendienstes.

Doch dann musste ich gehen. Musste Platz machen für neue Dinge, die in diesem Bereich stattfinden sollten. Alles was mir aus dieser Zeit bleibt, ist ein spitzenmäßiges Arbeitszeugnis, das noch heute von meinen Heldentaten berichtet.

Aber nun wieder zurück zu dem Telefonat. H erzählte mir, dass er und der Teamleiter sich noch einmal bei mir bedanken wollten. Ich sei zum Frühstück eingeladen. Nur H. , der Teamleiter und ich. Überrascht sagte ich zu.

Es war mein erstes Frühstück mit einem Teamleiter. Ein wirklich großartiges Gefühl, das sogleich von einem leichten Stechen begleitet wurde... denn auch wenn ich es mir noch so sehr wünschte, ich war kein Teil mehr von ihnen.

Als sich das Frühstück dem Ende neigte, bedankte ich mich. Reichte zuerst dem Teamleiter und anschließend H meine Hand. Er hielt sie fest, schaute mir tief in meine Augen und sagte, ich solle wieder kommen. Mit festem Blick sah ich in seine blau grauen Augen. Versprach ihm, dass ich wieder kommen würde. Wenn nicht mehr in diesem Jahr, dann im darauf folgenden....

Februar

Gefangen im Innendienst sah die Welt nicht mehr annährend so spannend aus, wie in den Monaten zuvor. Verträumt blickte ich Tag für Tag aus dem Fenster oder sah den grauen Gardinen bei ihrem Spiel mit dem Wind zu. Im besten Fall bekam ich ein verschneites Eichhörnchen zu Gesicht.. doch das war ehr die Ausnahme.

März

Zwar befand ich mich noch immer im Innendienst, doch wurde nun endlich die graue Alltagsträgheit von einer fordernden Aufgabe abgelöst. Nachdem eine telefonische Anfrage einer Oldenburger Schule beim großen T eingegangen war, lag es an mir, diesen Wünschen nachzukommen. Endlich wieder hoch motiviert, machte ich mich an das Werk. Bereitete einen sechsstündigen Vortrag vor, um meinen Beruf erfolgreich vor 100 Schülern zu vertreten. Der anschließende Lob von meinem Chef und einer hohen Sekretärin, bestätigte meinen Erfolg auf ganzer Linie.

Ende März unterzeichnete ich den Kaufvertrag meines neuen Autos.

April

Im April nahm ich eine Aufgabe an, an der ich mir nicht nur die Zähne ausbiss, sondern darüber hinaus viele negative Eindrücke mitnahm. Viele davon prägen mich noch heute.

Es war der Monat, an dem ich den “Girls Day” in die Hand nahm. Ein Tag, an dem Schulmädchen Unterrichtsfrei bekommen um acht Stunden in echten Männerberufen zu arbeiten. Eine wirklich gute Sache. Auch ich habe zu Schulzeiten oft an diesem Projekt teilgenommen. Zwar habe ich auf diese Art nicht wirklich meinen Traumberuf kennen gelernt.. aber es hat mich auf den richtigen Weg gebracht. Das alleine ist sehr viel Wert.

Aber wieder zurück zu diesem verhängnisvollen 27. April.
Ich habe Dinge gesehen, die wahrscheinlich nicht für mich bestimmt waren.
Dinge, die ich niemals hätte sehen wollen.
Dinge, für die ich niemals eine Emotion eingeplant hatte.
Dinge, die meine Ansichten um 180 Grad gedreht haben.

Ich wurde an diesem Tag von einer Person enttäuscht, die ich bis dato sehr bewundert hatte.

Darüber hinaus bin ich an diesem Tag für meinen Job an meine äußersten Grenzen gestoßen und habe noch nicht einmal ein simples Danke dafür geerntet.

Dafür habe ich gelernt, das ich eine verzweifelte Einzelkämpferin bin, die für Dinge, die ihr am Herzen liegen kämpft ohne aufzugeben….. Das Leben geht weiter.

Fortsetzung folgt....