Freitag, Dezember 01, 2006

Der Abschied

Leicht kritisch blickte ich durch die kleinen Fenster, die mir einen Einblick in das Restaurant gewährten. Ich schaute nicht schlecht, als ich auf den ersten Blick mehr Kakteen als zufrieden dreinblickende Kunden entdeckte. Aber nun gut. Solange die Sitzmöglichkeiten nicht aus Kakteen bestanden, sollte einem gemütlichen Abend nichts mehr im Wege stehen.

Da ich etwas zu früh dran war, versteckte ich mich hinter meinem Handy. Zwar half das bewegen meiner Finger nicht gegen die Kälte der hereinbrechenden Nacht. Doch zumindest gab es mir das Gefühl, nicht nutzlos herum zu stehen. Ich war alleine. Kalter Wind wehte durch mein offen getragenes Haar.

Tief in meinem inneren begann ich zu schimpfen. Ich hatte an diesem Abend sehr viel Zeit vor dem Spiegel investiert. Nun schien der Wind alle meine Bemühungen in Luft aufzulösen. Und das auch noch im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich hatte meine Textzeilen gerade auf die Reise geschickt, als mich eine kalte Hand an der Schulter packte. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück.

Doch als ich in dieser Person meinen besten Kumpel erkannte, atmete ich auf und boxte ihn spielerisch in die Rippen. Ein Lächeln nicht nur auf seinen Lippen, sondern ebenso auf denen des Chefs, der ihn scheinbar zum Eingang begleitet hatte.

Wir wechselten ein paar Worte. Ich verfolgte, wie der Chef von seiner Frau erzählte. Anschließend von seiner Tochter. Sie studiert. Steht kurz vor ihrem Abschluss....

Seinen Sohn hatte ich vor einiger Zeit kennen gelernt. Wie auch nicht anders erwartet, zählt auch er zu den erfolgreichen Männern des großen T´s. Ich könnte an dieser Stelle mit dem philosophieren beginnen. Könnte erzählen, wie klein die Welt doch ist und wie groß dafür meine tollpatschige Art und die Fähigkeit, über arbeitende Menschen zu stolpern, ausgeprägt ist. Aber das ist eine lange Geschichte.
Fakt ist, dass ich ab und zu auch mal nach unten sehen sollte, wenn ich schnellen Schrittes durch die langen Flure eile.

Aber wieder zurück zu meiner Geschichte
Es dauerte nicht lange, bis wir uns am reservierten Tisch wieder fanden. Trotz meiner Befürchtungen, bestand er nicht aus einer Anreihung von Kakteen. Er war auch nicht grün.

Als sich der Chef erhob, folgten wir ihm in Richtung des Buffets. Während ich mich für gebackene Champions mit Feta entschied, beobachtete ich, wie sich mein Kollege unzählige Exemplare eines Fisches auf seinen Teller stapelte. Verdutzt sprach ich ihn darauf an.

Sofort begann er in en höchsten Tönen zu schwärmen. Er zählte mir, dass dies eine einzigartige und unvergleichliche Delikatesse sei, die ich unbedingt probieren müsste.
Doch ich passte. Ich bin generell keine große Fischesserin. Natürlich verzichte ich nicht vollkommen auf Meereslebewesen.
Es ist nur so, dass ich Speisen meide, die sowohl noch alle Gliedmaßen besitzen, als mich auch noch mit ihren toten Augen ansehen können. Und dieser Fisch vor meiner Nase erfüllte beide Kriterien auf einmal. Etwas erschrocken lehnte ich ab.

Nachdem ich einen grünen Cocktail genossen hatte, der mich stark an Kakteen erinnerte, lehnte ich mich zurück und lauschte den Gesprächen, die um mich herum immer mehr an Farbe gewannen.

Man sollte meinen, dass IT_Systemelektroniker ausschließlich von Telefonen reden. Von dem alltäglichen Kampf mit Glasfaserleitungen und aufgebrachten Kunden, die mehr als wütend den Firmenwagen stürmen.

Doch stattdessen reden sie von Gartenschläuchen, von dem Favorisierten Aufschnitt an der Wursttheke und von Staubsaugern. Und das noch nicht einmal im zweideutigem Sinne....
Aber nun gut. Jedem das seine.

Es war schon weit nach 22:00Uhr, als sich der Chef verabschiedete. Es waren nicht nur seine Blicke, die immer mehr an Wehmütigkeit gewannen.
Gedrückte Stimmung in der ganzen Runde, als er ein letztes Mal an die Rückenlehne meines Stuhls fasste.

Nun trennten ihn nur noch ein paar knappe Worte von seinem Abschied... sein Endgültiges Verlassen dieser magentafarbenen Welt....

Seine letzten Worte galten einem Lob an uns. Wir, seine Schäfchen, saßen einfach nur da. Niemand sagte ein Wort.
Was sollten wir auch tun?
Wir waren machtlos...

Als er seinen letzten Satz beendet hatte, strich er noch einmal meinem Kollegen über die Schulter. Dann dreht er sich um und verschwand im dunkeln der Nacht.

Ob wir ihn jemals wieder sehen werden...?

4 Comments:

At 2. Dezember 2006 um 01:09, Blogger enthevee said...

Melli !?!
Meine Hochachtung....
Ich liebe deine Beiträge....
Weiter sooooo !

 
At 2. Dezember 2006 um 18:05, Blogger Melli said...

@En

Ich freue mich wirklich sehr, dass Dir meine Beiträge so gut gefallen. :)

Viele Grüße nach Hannover... ;)

 
At 4. Dezember 2006 um 14:00, Anonymous Anonym said...

hey melli,

du "vermisst" deinen chef... aber weißt du auch, dass du hier auf der arbeit auch vermisst wirst? und das nicht nur von mir, sondern - du wirst es nicht glauben - sogar von unserer netten reinigungskraft! :D

vlg

 
At 4. Dezember 2006 um 15:45, Blogger Melli said...

@Saskia
Das klingt so gut, dass ich es mir immer wieder durchlesen muss.. ;) Es war mir gar nicht bewusst, dass ich so sehr auf der Arbeit vermisst werde. Wenn ich ehrlich sein soll, dann habe ich auch nicht damit gerechnet. Ich dachte, dass jeder die ruhigen Stunden genießen würde. Keine Melli, die morgens um 7:00Uhr anfängt zu quasseln und bis zum Feierabend ihren Mund nicht mehr zu bekommt *lach* Es rührt mich richtig, dass Du nicht nur an mich denkst, sondern sogar vermisst...

Viele liebe Grüße auch an Dich :)

 

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